Kreisarchiv erschließt Akten über Bürgermeister des Altlandkreises Horb

Vom Schultheißen zum Bürgermeister – Kreisarchiv erschließt einzigartigen Quellenbestand zum Raum Horb

(Foto: Landratsamt, Jasmin Heidt) zeigt Beispiele aus dem neu erschlossenen Bestand der Bürgermeister-Akten des Altlandkreises Horb.

Das Kreisarchiv Freudenstadt hat einen neuen historischen Bestand erschlossen, der rund 160 Bürgermeister und Schultheißen aus dem Gebiet des früheren Landkreises Horb dokumentiert. Die Unterlagen stammen überwiegend aus den Gemeinden des Altlandkreises Horb und reichen von den 1840er Jahren bis 1973, dem Jahr der Landkreisauflösung. In Einzelfällen sind auch Akten aus dem ehemaligen Oberamt Nagold und dem Landkreis Hechingen enthalten. Mit diesem Bestand steht erstmals eine in sich geschlossene Überlieferung zur kommunalen Führungsschicht dieser Region über mehr als ein Jahrhundert hinweg zur Verfügung.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein war das Amt des Bürgermeisters noch gar nicht verbreitet. Die Gemeinden wurden von Schultheißen geleitet, die als staatliche Amtsträger im Auftrag des Grund-
oder Landesherrn handelten. Erst im Zuge der kommunalen Reformen des 19. Jahrhunderts setzte sich der Bürgermeister als Vertreter der Gemeinde und der Bürgerschaft durch. Die Begriffe bestanden allerdings lange nebeneinander, und in manchen Orten wurde die Bezeichnung „Schultheiß“ noch bis etwa 1915 verwendet. Mit dem Wandel des Titels veränderte sich schrittweise auch die Rolle: vom verlängerten Arm staatlicher Obrigkeit hin zu einem gewählten Gemeindevorstand mit eigenständiger Verantwortung.

Der neu erschlossene Bestand spiegelt diese Entwicklung eindrucksvoll wieder. Zu nahezu jedem Bürgermeister oder Schultheißen liegt eine Einzelakte vor. Darin finden sich amtliche Schreiben, Lebensläufe, Korrespondenzen, Personalunterlagen, Berichte zu laufenden Aufgaben, aber auch Hinweise auf Konflikte, Belastungen oder strukturelle Probleme vor Ort. Viele Akten geben Aufschluss über Alltagsfragen der Gemeinden – von Finanzen und Infrastruktur bis hin zu Gemeindestreitigkeiten oder der Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen. Von besonderem Wert sind die Wahlunterlagen, etwa Wählerlisten, Stimmregister und Wahlvorschläge, die einen genauen Blick auf Wahlverfahren, Beteiligung und Bedingungen vergangener Zeiten erlauben. Auch die Zeit des Nationalsozialismus ist deutlich dokumentiert: Entlassungen, Versetzungen, Parteizugehörigkeiten, Fragebögen zur Abstammung und Unterlagen der Entnazifizierung zeigen die politischen Brüche und die persönlichen Konsequenzen dieser Jahre. Noch in den unmittelbaren Nachkriegsjahren lassen sich aus den Akten die Versuche erkennen, kommunale Strukturen unter schwierigen Bedingungen neu zu ordnen.

Wer die Geschichte der Gemeinden im Raum Horb erforschen möchte, findet in diesem Bestand eine fundierte Grundlage – sei es für heimatkundliche Arbeiten, genealogische Forschungen, schulische Projekte oder wissenschaftliche Studien. Das Kreisarchiv unterstützt Interessierte bei der Einsichtnahme und freut sich auch über Nachlässe früherer Amts- und Mandatsträger, die diese Überlieferung ergänzen könnten.